China 1 - Xinjiang 1 - Kommunismus mit Porsche

 

Früh morgens rollen wir wieder zur Grenze und hoffen diese heute passieren zu dürfen. Am Vorabend hatten uns die kasachischen Grenzbeamten uns den Weg verwehrt, denn die chinesische Seite der Grenze war geschlossen (hier mehr lesen). Somit kommen wir noch zu einer Hotelnacht, Dusche und der Hoffnung dass morgen alles seinen sozialistischen Gang gehen wird. Da wir inzwischen unsere Essensvorräte aufgefuttert und keinen Cent Bargeld mehr haben, wollen wir pünktlich zum Mittagessen gemütlich im chinesischen Restaurant sitzen – nach dem Besuch eines Geldautomaten natürlich. An der Grenze sind wir bei weitem nicht die Ersten, doch die wartenden LKW´s lassen wir links liegen. Das Tor wird für uns geöffnet und wir rollen nach China. Unser Herzschlag ist leicht erhöht..

 

 

Unsere Visadauer beträgt 100 Tage, welche wir auch ausschöpfen wollen. Die geplante Strecke beträgt 5000km davon 1600km in der Autonomen Provinz Xinjiang. Auf der einen Seite herrscht hier politischer und militärischer Ausnahmezustand auf der anderen Seite zieht es Herrscharen von chinesischen Touristen in die Ausläufer des Tienshan. Ein chinesischer Motorradfahrer, welcher viel in Europa getourt ist vergleicht den landschaftlichen Charm der Region so: „Wie in den italienischen Alpen“. Klasse, da kommen wir gerade her.

 


 

Bis dahin müssen wir uns jedoch noch gedulden, denn wir sind noch gar nicht im Land. Wir passieren eine 7km beidseitig stacheldrahtgesäumte Straße. Alle 30m eine Laterne. An jeder Laterne eine Videokamera. Wir fühlen uns gleich richtig sicher. Ganz alleine erreichen wir eine riesige Empfangshalle - Grenzabfertigung. Alle Beamten haben viel Zeit für uns. Praktischerweise sprechen zumindest alle Maschinen Deutsch: „Bitte beide Daumen fest aufdrücken“ tönt es mechanisch beim abgeben der Fingerabdrücke. Unterm Strich eine ganz normale Grenzabfertigung. Freundliches Personal und zum Schluss kommt der Hammer. Wir dürfen per digitalem Smiley in fünf Abstufungen den Zufriedenheitsgrad mit dem Service an der Grenze bewerten. Unter der Aufsicht von drei Grenzbeamten gibt es jeweils ein lachendes Smiley, da wollen wir mal nicht so sein.

Erleichtert verlassen wir das Grenzgebäude und haben direkt nach dem Ausgang die erste Polizeikontrolle. Bei der Frage wo kommt ihr her, drehen wir uns um und stoßen mit der Nase fast ans Grenzgebäude. Auf das zeigen wir mit den Händen, etwas verwundert, und der Polizist ist mit unserer Antwort zufrieden. Das gesamte Gespräch verläuft so gut wie ohne Worte, denn es gibt keine gemeinsame Sprache. Wir sind ab sofort wieder Analphabeten, im Gegensatz zum Iran erkennen wir hier nichts: Kein Hotel, kein Supermarkt, kein Restaurant nur die Polizei. Die blinkt in rot blau an jeder Ecke der Grenzstadt. Die üblichen Geschichten wie Geld abheben, SIM Karte besorgen und einkaufen sind recht schnell erledigt – Erleichterung macht sich breit, die Chinesen haben praktisch alle gut funtkionierende Übersetzer auf ihren Smartphones! Im Gegensatz dazu sind wir ernüchtert von Google Translate: Offline übersetzt es schlecht, außerdem müssen wir herausfinden, wie Eingaben auf chinesisch funktionieren – sonst ist es eine Einbahnstraße…

 

 

Bei der ersten Essenbestellung stromern wir durchs Restaurant und zeigen der Bedienung bei den anderen Gästen, was wir gerne hätten. Und als das Essen kommt, läuft uns das Wasser im Munde zusammen. Unsere Vorfeude wird Freude, wird ein Festessen. Diese ewig leckere Küche wird uns von jetzt an begleiten und das macht richtig gute Laune. Anschließend verlassen wir die Stadt. Der Verkehr ist sehr zivilisiert und es ist genug Platz für alle Verkehrsteilnehmer da, an die laut vorbeipreschenden Elektroscooter müssen wir uns aber erstmal gewöhnen. Die Gegend ist landwirtschaftlich geprägt und wir sind auf der Suche nach einem schönen Plätzchen für unser Zelt. Wir wurden bestens darauf vorbereitet so zu zelten, dass uns niemand sieht. Nicht wenigen Reisenden, welche wir trafen, ist es passiert, dass abends die Polizei vorbeikam und ein Umzug ins Hotel anstand. Nicht weil es verboten ist zu zelten, sondern vielmehr zu unserer persönlichen Sicherheit. Da nicht alle Hotels in der Provinz Xinjang Ausländer aufnehmen dürfen, geht es wohl häufig zu 4 Sterne Hotels, wo der Preis definitiv nicht unseren Vorstellungen entspricht. Auf diese Erfahrung wollen wir verzichten und ziehen uns soweit es geht in eine Obstplantage zurück.

 

 

Wir schlafen in der ersten Nacht in China tief und fest. Kurz nachdem Aufstehen erreichen wir die erste größere Stadt. Der Verkehr stoppt. Die Passagiere der Autos laufen zu Fuss durch einen Scanner, alle Taschen ebenso. Die ID Karten werden gescannt. Alle Autos werden durchsucht. Der Ablauf ist hochprofessionell. Es stören nur zwei Ausländer mit ihren Rädern ohne Chinesisch-Kenntnisse. Nach einer Stunde haben wir das Prozedere auch überstanden und rollen in die Stadt. Erster Pflichtstopp: Restaurant. Danach stromern wir durch die Häuserschluchten und lassen die Eindrücke auf uns wirken.

 

 

Die meisten Straßen hier sind von Bäumen gesäumt, wir genießen das Radeln im Schatten der Alleen. Wir passieren einige Dörfer und Städte und genießen das radeln und die Leute: Sie sind sehr zurückhaltend, dennoch aufgeschlossen und neugierig. Es ist angenehm, weniger im Mittelpunkt zu stehen als in den vielen Ländern davor.

 

 

Plötzlich rast ein Polizeiwagen an uns vorbei. Schneidet uns den Weg ab. Sirenen heulen auf, Lautsprecher schreien uns auf Chinesisch an. Wir befinden es uns schnell zwischen 4 Polzeigefährten. Freundlich aber bestimmt heißt es auf den „Headmaster“ warten. Grundsätzlich sind alle Polizisten freundlich zu uns. Nun lernen wir eine Ausnahme kennen. Der neugierige Mensch schaut sich alle Fotos auf den Kameras an, hält uns einen Vortrag darüber, dass es in China Regeln gibt, die man einhalten muss, ansonsten fliegt man raus. Uns tat die Dolmetscherin, eine Englischlehreren leid. Zum Einen war es ihr peinlich den Vortrag zu übersetzen. Zum anderen war Sonntag und sie hatte Dienst an der Schule. Sie bewachte zusammen mit vier Kollegen ausgerüstet mit Helm, Knüppel und schusssicherer Weste die komplett mit Panzersperren umgebene und in Stacheldraht verhüllte Schule. Das gesamte Wochenende. Die Lehrer wechseln sich „freiwillig“ ab, so dass es sie nur alle 4 Wochen dran ist. Der Grund: Abwehr von Terroranschlägen. Wir sind sprachlos bei dieser Antwort. Dies ändert sich nicht, als sich der übergewichtige Polizeichef anbietet, offengebliebene Fragen zu beantworten. Hinter ihm lacht uns eine Klimmzugstange an. Uns hätte schon interessiert wie viele er so schafft. Lassen es aber mit Rücksicht auf die Gesamtsituation sein. Schließlich wollen wir nach 2h Interview auch mal weiter.

 


 

Und weiter geht es. Die Berge des Tienshan rücken näher und schmuggeln sich unter unsere Straße, diese führt uns zielsicher auf 3300m Höhe. Die Wintervorbereitungen laufen auf Hochtouren. Überall werden Pilze getrocknet, Jurten abgebaut und Viehherden mit Trucks abgeholt, lediglich der nichtabreisende Strom von Touristen wird durchs Land chauffiert. Die Abfahrt vom Pass ist ein Genuss für uns. Wir überholen die viel langsameren LKW`s bergab. Ein echt schräges Gefühl. Dies wurde lediglich dadurch verstärkt, dass uns nach der Abfahrt ein Polizeicheckpoint die Weiterfahrt untersagte. Der Grund: die Straße ist für Ausländer gesperrt. Einfach so. Der Umweg: 1000km statt 300km zu unserem nächsten Ziel. Unsere Überrredungskünste scheitern am schlechtgelaunten Polizeichef – wenn es uns nicht passe können wir ja zurück zum nächsten Flughafen fahren und das Land verlassen - die Flugzeuge seien alle für uns offen. Diskutieren zwecklos, Umkehren unmöglich also ab durch die Pampa, auf unserer Karte gibt es eine kleine Straße, welche kaum Umweg und einen Pass weniger verspricht. Unsere Straße entpuppt sich als Feldweg, welcher sich in der Hochebene unendlich oft verzweigt. Wir raten an jeder Abzweigung die falsche Richtung, landen in Sackgassen, probieren Alternativen.

 

 

Schließlich geben wir auf – nach 30 km landen wir (mehr oder weniger) versehentlich wieder auf der verbotenen Straße – immerhin 8 km hinter dem Checkpoint. Wir haben ein mulmiges Gefühl. Im nächsten Dorf, die nächste Polizeikontrolle. Keiner kümmerte sich um uns und so schlüpfen wir unbemerkt durch. Hinter dem Checkpoint stehen drei Reisbusse. Der Supergau für uns. Die Insassen stehen auf der Straße und vertreten sich die Beine, rauchen, und als sie uns erblicken fangen sie an laut zu klatschen, jubeln uns zu und schießen ungezählte Bilder. Sofort herrscht ein Lärmpegel wie in einem Fussballstadion. Wir hingegen traten in die Pedale. Nichts wie weg. Das Gefühl jederzeit richtig Ärger bekommen zu können begleitet uns die nächsten 100km, dort gibt es die nächste Kreuzung. Als wir diese erreichen, fühlen wir uns enorm erleichtert und feiern bereits. An der Kreuzung bringen wir mittlerweile gewohnt zügig die Polizeiregistrierung hinter uns, die freundlichen Beamten wünschen uns eine schöne Reise und viel Spaß. Leider sehen wir sie bereits 10 Minuten später im Supermarkt wieder, diesmal mit schlechten Neuigkeiten: Die Straße welche wir nun fahren wollen ist ebenfalls für Ausländer gesperrt. Damit wir nicht wieder „verloren“ gehen, „bieten sie an“ uns ein Stück zu eskortieren. Diesmal beträgt der Umweg nur 120km und so stimmen wir ohne Diskussionen zu. Leider bedeutet es aber, die atemberaubenden grünen Berge etwas früher als geplant gegen trockene, bergige Steinwüste einzutauschen. Was solls, wir genießen die Abfahrt entlang eines Flusses und radeln zur nächsten Stadt. Auf dem ganzen Weg werden wir nicht kontrolliert und beim spätestens beim Schwimmen im Fluss kommt das Gefühl von Freiheit wieder zurück.

 

 

Leider hält es nicht allzu lange, in der nächsten Stadt suchen wir ein Restaurant und freuen uns noch über schnelles Wlan. Während wir freudig eine Weile aufgeschobene Telefonate führen, sind wir plötzlich von Polizisten umringt: Wären wir nicht so müde und hungrig nach Essen sowie Neuigkeiten aus Heimat – wir würden das ganze vermutlich genießen. Die beiden Polizisten erinnern uns doch sehr an Dick und Doof, nur mit Schnellfeuergewehren um den Hals. In ihren Ansagen widersprechen sie sich dauernd gegenseitig: Der eine meint: „Ihr könnt in unserem Bezirk nicht übernachten“ –während seine Kollege gleichzeitig vorschlägt „Besser bleibt ihr heute gleich hier in der Stadt“, so geht es weiter „Ihr könnt jetzt gehen“ – „Bleibt hier“ – „Folgt uns zum Polizeirevier“ - „Macht euch los“.

 

 

Letzteres befolgen wir nach knapp 90min auch und radeln in den Sonnenuntergang. So langsam zählen wir die Kilometer und Tage bis zur Stadt Turpan runter – dort wollen wir ein paar Tage Radelpause im Hotel verbringen. Die Strecke ist eher langweilig, wir hangeln uns auf der Autobahn von Rastplatz zu Rastplatz – die spärlich vorhandenen Orte meiden wir, denn sie bringen immer zusätzliche Polizeikontrollen. Einmal ist es leider dennoch notwendig, ziemlich ausgehungert und erschöpft erreichen wir ein Dorf – die Vorfreude auf leckeres Essen wird jedoch jäh gebremst vom Polizeiposten: Wir sollen warten, und warten und warten und warten… Nichts scheint zu passieren. Der Versuch, die Angelegenheit zu beschleunigen scheitert. Nach über einer Stunde fährt ein weiteres Polizeiauto vor: Wir fürchten – ein schlecht gelaunter Chef. Aber nein, nur eine freundlicher Beamter mit einem Sack voller Pfirsiche. Frisch gepflückt – wir vermuten in den letzten 60min. Hoffentlich nicht unser einziges Abendessen? Es stellt sich heraus, dass er auch unsere Eskorte durch den Ort darstellt. Nach einem leckeren Essen und einigen Stopps bei verschiedenen Kramläden begleitet er uns noch zurück zur Autobahn. Wir geben uns Mühe einen fitten Eindruck zu erwecken – schließlich haben wir angegeben, heute noch gut 100km bis zur nächsten größeren Stadt zu radeln. Kaum ist er weg, kippen wir quasi vom Fahrrad ins Zelt unter einer Brücke.

 

 

Am nächsten Tag beschließen wir, möglichst nahe an Turpan heranzurollen und dort noch einmal zu zelten – so sollten wir die Stadt ausgeruht vormittags erreichen, was für die notwendige Geduld bei den Polizeikontrollen doch sehr hilfreich ist. Am Abend kommt Wind auf, so suchen wir uns einen halbwegs windgeschützten Zeltplatz in einer Grube. Der Wind entwickelt sich während der Nacht zu einem ausgewachsenen Sturm und hält uns vom Schlafen ab. Es klingt als würde unser Zelt sandgestrahlt. Der Sturm nimmt legt weiter zu. Die Entscheidung fällt schwer, aber der Zweifel über die Richtigkeit wird quasi wegfegt. Abbauen. Die erste Tasche außerhalb vom Zelt wird sofort vom Sturm weggefegt. Christian muss ihr hinterherrennen. Beim Kampf zurück zum Zelt setzt sich sofort alles mit Sand zu. Die Augen tränen und sind sofort mit Staub gefüllt…

Hier weiterlesen!

 

Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild
Bild