Kirgisistan 1 - Wiesen, Weiden, Wilde Wege

 

Im Stockdunkeln krabbeln wir aus dem Zelt und betrachten im Schein unserer Stirnlampen einen Fluss, welcher sich links am Zelt vorbeischlängelt. Wie wir hierherkamen, könnt ihr im letzten Blogartikel nachlesen. Wir überlegen nach dem weiteren Vorgehen als plötzlich auch rechts ein Flussarm entsteht. Es ist beeindruckend, wie sich die Wassermassen ihren Weg bahnen. Wo sich gerade noch trockene Wüste befand entsteht ein breiter Fluss. Wir packen so schnell es geht alles zusammen und ziehen auf den Damm. Am nächsten Morgen sind die Wasserzuflüsse verschwunden. Nur eine breite dünne Eisschicht ist geblieben.

 

 

Als wir die Grenze erreichen sind wir richtig platt. 4300m hoch. Nur die Aussicht auf eine rasante Abfahrt konnte uns noch motivieren gegen den Wind auf dem Wellblech voranzukommen. Denn von hier geht es runter. Und zwar ziemlich lange. Schnell noch den Ausreisestempel in den Pass gezaubert…..Fehlanzeige…..der Stempel hat keine Tinte mehr. Zu unserem erstaunen haben die Grenzer keine Tinte. Armut und Mangel herrscht hier selbst im öffentlichen Dienst. Also setzt der Grenzer sein gesamtes Körpergewicht ein, um einen Stempelabdruck zu bewerkstelligen. Der altersschwache Schreibtisch biegt sich wie ein Bummerang. Wir gehen schon in Deckung, als der Grenzer den Druck vom Stempel nimmt. Gelernt ist eben gelernt. Nach fast vier Wochen verlassen das wunderschöne Tadschikistan. Kein Land bisher hat uns soviel abverlangt. Wir sind physisch am Ende und dennoch wurden die Psyche fürstlich belohnt. Wir würden es sofort wieder machen.

 

 

Kirgisistan empfängt uns mit heftigem Wind und Schneefall, welcher bald in Regen übergeht. Die rasante Bergabfahrt wird durch das heftige Trommeln des Regens gebremst. Wir können so gut wie nichts sehen. Als der Regen aufhört sind wir verzaubert. Am Ende des Passes erwartet uns nicht nur die Grenzstation, sondern grüne Wiesen, welche nahtlos in die Schneemassen der Berggipfel übergehen. Welch ein Kontrast. Es gibt majestätische Pferdeherden sowie die dazugehörigen Hirten, welche mit ihren Familien während des Sommers in traditionellen Yurten wohnen. Inklusive Oma und Kindern. Als die ersten Kinder uns entdecken strömen sie zur Straße und stoppen uns. Sie hätten gerne ein paar Sweeties. Wir übrigens auch. Der letzte Shop liegt lange hinter uns und all unsere Vorräte sind bereits da wo sie hingehören. In unseren Bäuchen. Bester Asphalt führt uns in die nächste Ortschaft. Das Angebot in den Tante Emma Läden kommt uns schier reichhaltig vor. Wir kommen uns wie im Schlaraffenland vor, weil es frische Tomaten zu kaufen gibt. Das Vorhandensein von ganztägigem Strom und Internet gibt uns das Gefühl wieder in der uns gewohnten Zivilisation gelandet zu sein. Wir schalten die Handys an und lauschen dem minutenlangen „Bing, Bing, Bing“. Whatsapp, Facebook, Instagram sowie diverse Messenger übermitteln die Post der letzten Wochen.

 


 

Mit einem lachenden und einem weinendem Auge wünschen wir uns umgehend in die kargen Berge zurück. Dies ist aber gar nicht notwendig, denn es liegen noch genügend vor uns. Erstmal geht es jedoch Bergab. Vom Grenzübergang nach Osch sind es 250km auf denen es 3200m bergab und nur noch über wenige Pässe geht. Wir fliegen förmlich dahin, der Griff nach den Regensachen bekommt wieder mehr Routine. Ebenso Routine wird es, dass wir Heidi und Valentin mit dem roten Bus wieder treffen. Wir freuen uns jedesmal mehr und verabreden uns auch gleich für ein gemeinsames Hostel in Osch. Von da geht es für uns für drei Wochen nach Deutschland. Familie und Freunde besuchen sowie das Chinavisum beantragen.

 

 

Die Vorfreude auf ersteres ist hoch. Schon auf dem Pamirhighway haben wir von „Futtern bei Muttern“ fantasiert. Unsere Knochen schreien auch nach Erholung. Diesmal wird es sie geben. Das Visabeantragen treibt uns den Angstschweiß auf die Stirn und unter die Achseln. Wir wollen die maximale Aufenthaltsdauer beantragen und dies bedeutet unvorstellbaren Papierkram. Um es vorwegzunehmen: Wir brauchen für die gesamte Aufenthaltsdauer einen Reiseplan mit Ort sowie Aktivität, für jede Nacht ein bereits gebuchtes Hotel, sowie alle möglichen Tickets wie Hin- und Rückflug. Ebenso schon gebucht und bezahlt. Um es mal positiv auszudrücken, wir haben uns sehr intensiv mit dem Land beschäftigt. Bei der Abgabe aller weiteren Dokumente, fällt auf, dass wir länger als 30 Tage in der Türkei waren. Somit dauert die Bearbeitung mindestens 2 Monate und die Wahrscheinlichkeit der Visavergabe ist auf Null gesunken. Es gelingt uns eine Ausnahme zu erwirken und bekommen ein Sicherheitsinterview. Als wir das bestehen bekommen wir das Visa. Wir sind mehr als glücklich. Besonders Moni, welche mehr als 3 Tage in den Antrag investiert hat. Danach haben wir noch eine wunderschöne Zeit am Wörthsee bei München verbracht.

 


 

Die Räder haben derweil im Hostel auf uns gewartet. Vor unserem Abflug nach Deutschland haben wir die beiden Amerikaner Jay und Lauren kennengelernt, sie sind über Afrika per Rad angereist und haben nun den Pamirhighway vor sich. Wir haben so gut es ging ihre neugierigen Fragen über den Pamirhighway beantwortet. Die Chemie hat von Anfang an gestimmt. Von unserem Treffen hatten sie noch genau noch 4 Wochen zu leben. Beide verstarben bei einem Terroranschlag in Tadschikistan. Ein Auto raste in eine Gruppe Reiseradler. Als wir erfahren, dass einen Anschlag gegeben hat sind wir tief betroffen, immerhin waren wir ebenso mit den Rädern in dieser Region unterwegs. Als wir erfahren haben, dass es die beiden verstorbenen Amerikaner Jay und Lauren waren hat uns ein tiefes Gefühl der Trauer erfasst. Die beiden waren in den darauffolgenden Wochen immer wieder Thema zwischen uns. Neben Gedanken an die Verstorbenen und ihre Familien, beschäftigt uns auch, inwieweit diese Tragödie den Tourismus in Tadschikistan beeinflussen wird. Während unserer Reise dort haben uns neben der unglaublichen Landschaft vor allem die (gast)freundlichen, freigiebigen Einwohner beschäftigt. Es stellt eines der ärmsten Länder der Welt und das ärmste Land unserer Tour, dar – die wichtigste Ressource ist die Schönheit der Natur und jeder touristische Dollar wird dringend benötigt.

 

 

Die Trauer konnten wir gut in die Pedalen drücken und dies war auch notwendig. Mit Osch verließen wir auch unseren Planungsstand. Kirgisien war mehr oder weniger ein Transitland auf dem Weg nach China. Ein grober Blick auf die Karte und los gings.. Unser nächstes grobes Ziel war ein Treffen mittlerweile sehr guten Freunden aus Thüringen „Familie Unger“. Vater und Sohn hatten uns bereits im Oman zum tauchen besucht. Nun sind die reiselustigen Eltern mit dem eigenen Auto auf dem Rückweg vom Baikalsee. Geplant ist das Treffen am zweitgrößten Hochgebirgssee der Welt, dem Yssyk-Kol. Stolze 180km lang, 60km breit und 700m tief. Absolute Superlative. Wir entschieden uns nicht für die Hauptstrasse von Osch, sondern für die deutlich kürzere Nebenstrasse über die Ortschaft Karzarman. Relativ schnell verlässt uns der Asphalt, was uns veranlasst die Strecke genauer auf der Karte zu betrachten, das Streckenprofil verschlägt uns die Sprache…..

 

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